Aktuelles aus der Väterforschung: Bei der Sprachentwicklung kommt es auf den Vater an! Von Univ.-Prof. DDr. Lieselotte Ahnert (Universität Wien).
Kinder erwerben in einer erstaunlichen Geschwindigkeit von nur drei Jahren ihre Muttersprache. Wie umfänglich und tiefgründig sie das tun, hängt von ihrer sprechenden Umwelt ab. Vielfältige Studien haben vor allem die mütterlichen Einwirkungen auf den frühen Spracherwerb aufzeigen können.
Danach ist der Wortschatz des Kindes, der mit dem zweiten Lebensjahr etwa 50 Wörter umfasst und danach explosionsartig ansteigt, verbunden mit der Intensität und Vielfalt, mit der Mütter mit ihren Kindern sprechen. Aber auch die Art und Weise ist wichtig, mit der sich die Mütter auf die ersten Äußerungen des Kindes einstellen, vor allem, wenn sie eine sensitive Beziehung zu ihren Kindern entwickelt haben.
Die fünf Teilsysteme der Sprache
Dabei ist wichtig zu wissen, dass Sprache ein sehr kompliziertes und vielschichtiges System ist, das in der Regel durch fünf Teilsysteme beschrieben wird:
- Die Phonetik, die das Lautsystem der Sprache abbildet.
- Die Morphologie, die aus Lauten die Worte zusammenstellt.
- Die Syntax, die die Worte zu komplexen Sätzen formt.
- Die Semantik, die den Worten und Sätzen eine Bedeutung zuerkennt.
- Die Pragmatik, die den Gebrauch von Äußerungen in der Kommunikation empfiehlt.
Über all diese Teilsysteme hinweg scheint das mütterliche Sprachangebot fördernd zu sein, während man über den väterlichen Einfluss bisher kaum etwas wusste. Dagegen wurde vermutet, dass Väter eher wenig mit ihren Kindern sprechen, wenn sie noch sehr klein sind, und von daher deren Einfluss auf die Kindersprache nur unbedeutend sein kann.
Väterforschung: CENOF untersucht väterlichen Einfluss auf die Sprachentwicklung
Mit dieser Art Vorurteilen hat CENOF (das Central European Network on Fatherhood) mit seinen sechs Professor/innen, einer großen Gruppe von Doktorand/innen und Studierenden jetzt begonnen aufzuräumen und unzählige Väter im Umgang mit ihren Kleinkindern in Alltags- und Spielsituationen beobachtet.
Spielen mit dem Kind baut Stress ab
Hierbei war auffallend, dass Väter – sofern sie in ihren Familien aufgingen, ihre eigenen Arbeitsbelastungen ablegen konnten und außerdem über eigene positive Kindheitserfahrungen verfügten – sehr gerne und ausführlich mit ihren Kindern spielten. Sie bevorzugten Tobe-Spiele und liebten es, zu unterhalten, zu überraschend und kreativ zu sein und ermutigen damit die Kinder, an ihre Grenzen zu gehen.
Mütter spielen ruhiger
Demgegenüber bevorzugten die Mütter in der Regel ruhigere Spiele, in denen sie die Kinder anleiteten, erklärten und strukturierten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass CENOF die Sprachangebote von Müttern und Vätern bisher sehr unterschiedlich darstellen konnte.
Unter anderem wurden 120 Familien gebeten, mit ihren Kindern Bilderbücher zu betrachten und darüber zu sprechen, und zwar Mütter und Väter getrennt voneinander. Später wurde der Sprachstand der Kinder mit einem spielerischen Test erfasst, der sowohl das aktuelle Sprachverstehen, wie die aktive Sprache des Kindes einschätzt.
Unterschiedliche Sprachangebote bei Vätern und Müttern
Diese Sprachstandsmessungen fielen vor allem beim Sprachverstehen der Kinder umso besser aus, je ausgiebiger die Mütter mit den Kindern die Sachverhalte im Bilderbuch erklärt und durchbesprochen hatten. Die Väter punkteten jedoch vor allem durch ihre recht ungewöhnlichen Sprachangebote beim Betrachten der Bilderbücher: Sie schmückten die Sachverhalte mit ausgeprägten Lautmalereien aus und verhielten sich dabei auch emotional und körperlich sensationell, ahmten die Bewegungsabläufe der dargestellten Tiere nach und heizten die Kinder emotional auf.
Väter sprechen aktiv
Kein Wunder, dass derartige väterliche Sprachangebote vor allem mit der aktiven Sprache des Kindes verbunden werden konnten. Bei der Sprachentwicklung kleiner Kinder kommt es damit tatsächlich auch auf den Vater an! Wenn er unkonventionell und unterhaltend die Sprache einsetzt, regt dies die Vorstellungskraft und Lautimitation des Kindes an, und macht mehr als deutlich, wie Sprache gebraucht werden kann.
Die Kinder werden dadurch ermutigt sich auszuprobieren und zu sprechen, vor allem, wenn sie mit einem zurückhaltenden und schüchternen Temperament auf die Welt gekommen sind.
CENOF-Teil-Studie über Väter in Patchwork-Familien
Während das CENOF-Netzwerk grundsätzliche Fragen der Vaterschaft im Hinblick auf die Auswirkungen von Vätern auf die Kindesentwicklung in den Blick nimmt, beschäftigt sich eine spezielle CENOF-Teil-Studie mit der Frage, wie Vaterschaft in Stief– und Patchwork-Familien gelebt wird und was dies für die Kinder bedeutet. Angesichts der Tatsache, dass derartige Familienkonstellationen aufgrund der abnehmenden Stabilität von Partnerschaften heutzutage auf dem Vormarsch sind, ist es an der Zeit, eine so wichtige Forschungslücke zu schließen.
Dabei ist sich die psychologische Forschung jetzt schon einig: Männer, die die Vaterrolle für ein nicht-leibliches Kind übernehmen, stehen vor großen Herausforderungen. Mithilfe der Stiefväter-Studie sollen sie nun identifiziert und die Bedingungen harmonischer Stiefvaterschaft bestimmt werden. Ziel dieser jetzt laufenden Forschung ist es, vielfältige Facetten der Entwicklung von Kindern aufzuzeigen, die mit diesen Vätern groß werden. Die Forschungsergebnisse werden für die Praxis von Familien- und Scheidungsberatungen aufbereitet und sind dort von großem Nutzen.
Aufruf: CENOF sucht Väter aus Patchwork-Familien
Es werden für die Studien (Väterforschung) Familien gesucht, deren Männer mit einer Partnerin zusammenleben, die bereits ein Kind im Alter von ein bis acht Jahren in die Beziehung gebracht hat. Leben die Partner nicht im selben Haushalt, sollten die Männer jedoch regelmäßige Kontakte zu den Kindern haben.
Leben die Familien in Berlin, wollen wir die Kinder etwa drei Mal in ihrem Zuhause besuchen, um sie in ihren natürlichen Umgebungen wahrzunehmen. Wir werden Spiele und spielerische Entwicklungstests mit dem Kind durchführen, die Eltern jedoch auch detailliert (mit Hilfe von Fragebögen) befragen und Interviews durchführen. Leben die Familien jedoch nicht in Berlin, senden wir ihnen die Fragebögen zu und machen die Interviews per Telefon.
Persönlicher Nutzen bei Teilnahme an der Forschungsstudie
Als kleines Dankeschön für Engagement und Zeit, erhalten die teilnehmenden Familien eine Aufwandsentschädigung von 100 €. Vor allem beantworten wir Ihnen jedoch Ihre Fragen: Ist mein Kind altersgemäß entwickelt? Was kann ich dazu beitragen? Wie empfinde ich meine Elternschaft? Wie kann ich meine Elternschaft mit den Ansichten meines Partners im Einklang bringen?
Eine Teilnahme an unserer Studie verschafft den Eltern den Zugang zu den Antworten, da alle erhaltenden Informationen in einem detaillierten und persönlichen Rückmeldegespräch dargestellt und erklärt werden. Dabei gilt als eine unumstößliche Richtschnur, dass diese Informationen streng vertraulich behandelt und vollständig anonymisiert in die Studie einfließen.
Kontakt
Wenn Sie unsere Väterforschung unterstützen wollen, melden Sie sich bitte unter der e-mail-Adresse: cenof-patchwork.psychologie@univie.ac.at. Sie können uns auch anrufen: Sarah Salmhofer (+49 176 214 705 18) oder Sabrina Leodolter (+49 176 214 705 19).
@ Fotorechte: Univ.-Prof. DDr. Lieselotte Ahnert (Universität Wien) im Auftrag der Jacobs Foundation – Aktenzeichen AZ: 2013-1049
@ Wissenschaftliche Referenz zu den berichteten Forschungsergebnissen: Supper, B., Teufl, L., & Ahnert, L. (in prep). Attachment Quality and Different Modes of Conversation: Comparing Maternal and Paternal Contributions to Language Skills in Toddlerhood. Attachment and Human Development.
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