In Erziehungsfragen gibt es zahlreiche strittige Themen. Spielzeugwaffen im Kinderzimmer ist ein solches. Als wir kleine Jungs waren, schien es normal, dass wir uns gegenseitig mit Spielzeugknarren, Flitschen und oft sogar mit kampferprobten Steinschleudern gegenseitig wegballerten. Schrammen, Kratzer, blaue Flecken, Schürfwunden, Krokodilstränen – einmal kurz drauf gespuckt, die Nase ins Taschentuch geschnäuzt und weiter ging´s.
Dabei hatten wir jede Menge Spaß und kaum rief die Mutter zum Abendbrot, hatten wir uns auch schon für den nächsten Tag verabredet, um wieder gemeinsam Cowboy und Indianer oder Polizei und Verbrecher zu spielen, während die Mädchen unseres Alters ihre Puppen im Kinderwagen durch die Gegend schoben.
Waffen & Gewalt: Ein Thema der Jungs
Waffen, Rangkämpfe, Gewalt – dieses Thema schien es nur bei Jungen zu geben und Spielzeugwaffen im Kinderzimmer eines Mädchens waren (und sind) die absolute Seltenheit. Gab es seinerzeit überhaupt Mädchen, die Krieg spielten oder sich auf dem Bolzplatz mit Spielzeugpistolen oder Spielzeuggewehr gegenseitig abschossen?
Wenn Mädchen überhaupt jemals Gewalt und Brutalität ausübten, blieb es meist dabei, eine Kontrahentin an den Haaren zu ziehen, während wir Jungen durchaus schon mal die Fäuste fliegen ließen. Es hat den Anschein, als wäre das früher alles so einfach gewesen – für Eltern und Kinder. Heute erziehen wir unseren Nachwuchs pädagogisch wertvoll. Gewaltfrei.
Nicht nur das Versohlen des Hinterns ist verboten, sondern geht es nach Meinung einiger Erziehungswissenschaftler, haben Spielzeugwaffen im Kinderzimmer nichts zu suchen. Andere kommen zur Ansicht, dass der Umgang mit Spielzeugwaffen sogar wichtig für die Entwicklung der Kinder sei.
Welche Bedenken gibt es bei Spielzeugwaffen und Kriegsspielen?
Immer häufiger werden wir mit Amokläufen an Schulen konfrontiert. Die Medien sind voll von Berichten, wo Kinder bzw. Jugendliche ausrasten und durch Gewalttaten negative Schlagzeilen machen. Die Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen nimmt – zumindest spürbar – zu und darum suchen viele Eltern nach Erklärungen.
Nicht zuletzt, weil jeder Vater und jede Mutter sicherstellen will, dass das eigene Kind nicht auch so wird sowie aus der Angst heraus, das eigene Kind könnte Opfer von Jugendgewalt werden. Was bringt die junge Generation so zum ausrasten? Fördert das Spiel mit Waffen, das Simulieren von Terror & Krieg sowie das Nachspielen von Gewaltszenen die Gewaltbereitschaft und enthemmt Jungen und Mädchen?
Werden Kinder und Jugendliche zunehmend gewaltbereiter, weil die Medienlandschaft bereits zur Mittagsstunde Gewaltszenen zeigt und dadurch Gewalt verherrlicht?
Gewalt ist Teil der Kindheit & der Gesellschaft
Die Suche nach Antworten und Erklärungen ist verständlich wie mühsam. Denkt man an die Nachkriegsgeneration, fällt einem vermutlich ein, wie oft sich damals die Knaben im Spiel just for fun duelliert und im Ernst mit Fäusten ausdiskutiert haben. Wer zuerst die blutige Nase hatte und zu Boden ging, hatte das Nachsehen, der Kontrahent ging eindeutig als Sieger hervor.
Das war damals so. Bestenfalls gab es zuhause vom gestrengen Vater eins hinter die Löffel, vielleicht wurde auch der Hosenboden stramm gezogen. Ganz schön viel Gewalt. Nicht nur unter den Kindern, sondern auch von Erwachsenen ausgeübt. Dennoch ist aus der Nachkriegsgeneration eine Generation erwachsen, die Werte hatte. Werte, die auch dazu beitrugen, dass das gesellschaftliche Miteinander in Deutschland weitestgehend friedlich und ohne Waffen verläuft.
Auch zu Zeiten vom Bau der Startbahn West schrieb Deutschland friedliche Geschichte, wenngleich bei Demonstrationen die unterschiedlichen politischen Meinungen mit Stöcken und Steinen untermauert wurden. Doch scheint es, dass sich die Qualität der Gewalt geändert hat.
Polizeiliche Kriminalstatistik Jugendgewalt
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) bringt es, zumindest was das Hellfeld betrifft, auf den Punkt:
- Jungen sind weitaus häufiger kriminell als Mädchen.
- Nach einem Anstieg bis ins Jahr 2007 ist die Jugendkriminalität rückläufig.
- Gewalttaten werden von Jugendlichen mit zunehmender Brutalität durchgeführt.
Fraglich ist, ob die Kriminalität Jugendlicher überhaupt damit in Zusammenhang steht, wenn in der Kindheit der Umgang mit Spielzeugwaffen erlaubt wurde. Zahlreiche Wissenschaftler betrachten Jugendkriminalität als vollkommen normal, sehen aber als Ursache für Gewaltdelikte andere Auslöser, als das Spielen mit Spielzeugpistole oder Plastikschwert.
Soziale Faktoren beeinflussen Gewaltbereitschaft
Als Auslöser für Jugendgewalt kommen häufig soziale Faktoren in Betracht, die meist im Bündel zur Eskalation führen:
- schwere Konflikte & Gewalt im Elternhaus
- problematische Wohnsituation & Armut
- soziale Neid & Langeweile
- geringe Schulbildung, keine Zukunftsperspektiven & reduziertes Selbstwertgefühl
Unkontrollierbarer Zugang zu Gewaltszenen
Hinzu kommen kaum mehr filterbare und noch weniger kontrollierbare Inhalte mit brutalen Gewaltszenen, die via Smartphone und Internet nahezu unbegrenzt konsumiert werden können. Umso älter Jugendliche werden, desto beliebter sind Ballerspiele, die bei regelmäßigem Konsum die Hemmschwellen drastisch absenken können. Am häufigsten werden Jugendliche im Alter von etwa 16 bis 21 Jahren gewalttätig, während die kindliche Faszination für Spielzeugwaffen meist im Kindergartenalter beginnt und im Grundschulalter ausklingt.
Es kann somit davon ausgegangen werden, dass soziale Faktoren und Belastungen eher die Gewaltbereitschaft fördern und prägen, als Spielzeugwaffen im Kinderzimmer. Nichtsdestotrotz kann (!) die frühkindliche Leidenschaft zu Waffen auch dazu führen, dass sich die Faszination in eine bedenkliche oder gar sehr gefährliche Richtung entwickelt und Gewaltphantasien erwachsen, die dann auch ausgelebt werden wollen. Tim K., so der Name des 17-jährigen Schülers, der in Winnenden mit einer Pistole Amok lief und sich durch einen Schuss in die Stirn das Leben nahm, wurde vom Vater mit an den Schießstand genommen und spielte zuhause Killerspiele.
Haben Väter und Mütter andere Ansichten zu Spielzeugwaffen?
Womöglich gibt es auch zwischen Männern und Frauen kontroverse Ansichten dahingehend, ob Kinder Zugang zu Plastikknarren haben und Krieg spielen dürfen. Seit Menschengedenken sind es überwiegend wir Männer, die in den Krieg ziehen. Männer mit Waffe in der Hand werden in einer wissenschaftlichen Untersuchung wesentlich größer und mächtiger empfunden, so berichtet Spiegel Online hier.
Waffen gelten als Symbol von Stärke, Kraft und Macht – dies ist der Grund, warum Männer tendenziell Waffen mögen und warum insbesondere Jungen gerne mit Spielzeugwaffen spielen, sich für
- Armbrust
- Softair
- Pfeil & Bogen
- Messer
- Pistolen
- Gewehre
- Panzer
- Kriegsschiffe
- usw.
interessieren und darum im Freundeskreis auf Gleichgesinnte stoßen. Vermutlich erweckt schon in kleinen Jungs der Beschützerinstinkt, auf die Mama oder die Kindergartenfreundin aufzupassen und es muss davon ausgegangen werden, dass Jungs ein Bedürfnis haben, sich verteidigen zu können. Das Spiel mit Waffen ist jedenfalls für die meisten Jungen überaus interessant und kann kaum durch Erziehung “ausgemerzt” werden.
Für Väter, die gegen Waffen sind, ebenso wie für Mütter, ist dies oftmals eine schwierige Situation, die zu einer Erziehungsfrage wird. Frauen neigen eher dazu, derartiges Spielzeug zu verbieten, da sie tendenziell Gewalt strikter ablehnen, als wir Väter es tun.
Sollte man Spielzeugwaffen im Kinderzimmer verbieten?
Diese Entscheidung müssen Eltern treffen. Dabei gilt es, Pro & Contra gegeneinander abzuwägen. Gibt es denn überhaupt etwas, dass für eine Spielzeugwaffe im Kinderzimmer spricht? Ja. Nämlich die Meinung, die viele Eltern vertreten:
“Wenn wir den Umgang mit Spielzeugwaffen verbieten, macht das Kind es vielleicht heimlich.”
Da ist tatsächlich etwas dran, denn auf dem Spielplatz, im Kindergarten oder bei Freunden im Garten kann ein harmloser Ast zur Waffe deklariert werden, um Krieg, Mord & Totschlag zu spielen. Falls kein passender Ast vorhanden, kann auch der Arm zum Gewehr mutieren oder das Kind ballert mit einem imaginären Maschinengewehr um sich. Eltern haben nur noch wenig Einfluss darauf, wenn das Kind außer Haus ist. Faktisch ist der Kontakt zu Spielzeugwaffen im Kinderzimmer des Freundes kaum mehr zu verhindern. Wenn ein Kind Interesse an Waffen hat, wird es immer seine Möglichkeiten finden.
Weitaus mehr scheinen die Argumente, die für ein Waffenverbot sprechen. Diese reichen von Verharmlosung echter Waffen sowie der davon ausgehende Gefahren. Diese reichen über mögliche Verletzungsgefahr bis hin zu “Anfixen” zur echten Waffenleidenschaft. Hinzu kommt auch die Tatsache, dass Spielzeugwaffen echten Waffen oft täuschend ähnlich sehen. In der heutigen Zeit kann dies in einer ungünstigen Situation schnell dazu führen, dass eine Spielzeugwaffe als echte Waffe wahrgenommen wird, so dass es beispielsweise zu einem Polizeieinsatz kommt, weil das spielende Kind als möglicher Amokschütze behandelt wird.
Für Kinder sind Waffen kein Tötungsinstrument
Meist sind es Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren, die mit Spielzeugpistole, Schwert und Tomahawk spielen wollen. Das Interesse für Waffenspielzeug verliert sich dann häufig von alleine. Laut Kinderpsychologe Prof. Dr. Allan Guggenbühl sehen Kinder Spielzeugwaffen nicht als Tötungsinstrument an, sondern als Spielzeug, mit dem man auf spielerische Weise verschiedene Emotionen ausdrücken kann. Jungen können sich in Machtkämpfen “duellieren”, aber auch ihre Aggressionen im Spiel abbauen.
Sie können sich mehr Macht aneignen und durchaus auch ihr Selbstbewusstsein dadurch stärken, indem sie sich stark und wehrhaft fühlen, wo sie sich sonst als schwach, ängstlich oder gar feige empfinden. Insofern Jungen, manchmal sogar Mädchen, im Spiel mit Waffen hantieren, umher ballern oder das Spielzeugschwert schwingen, geht es den Kleinen nicht darum, dem Spielgefährten nach dem Leben zu trachten, sondern vornehmlich darum, in eine andere Rolle zu schlüpfen, in der sie Gefühle ausleben dürfen, wie es sonst nicht üblich ist.
Waffen sind nicht per se “böse”
Ein weiterer Aspekt: Waffen bzw. Waffenträger sind nicht immer “böse”. In Zeichentrickserien, in Filmen, aber auch im realen Leben gibt es sie. Die Helden, die Waffen ganz legal tragen dürfen, etwa, um vor Verbrechen zu schützen oder um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden. Was wäre der Polizist ohne Schusswaffe im Holster? Was wäre Robin Hood ohne Pfeil und Bogen?
Waffenbegeisterte Jungen imitieren nicht immer nur Waffengewalt, sondern Jungs schlüpfen manchmal auch in die Heldenrolle und werden zum Retter oder Bekämpfer des Bösen. So betrachtet ist es denkbar, dass ein Kind z. B. Interesse am Beruf des Polizisten erweckt, der für das Gute einsteht und die Waffe nur im Verteidigungsfall einsetzt. Hier kann die Auseinandersetzung mit der Waffe durchaus einen positiven Nutzen haben und dem Kind den Unterschied zwischen Gut und Böse veranschaulichen.
Erinnere dich daran, wie es in deiner Kindheit war. Gehörst du zu den Vätern, die früher auf dem Bolzplatz mit den Kumpels um die Wette geballert haben, aber die heute Windeln wechseln, anstatt Gewalt auszuüben? Dann bist du das beste Beispiel, dass der Umgang mit Spielzeugknarren keinesfalls der Einstieg in Gewalt und Verbrechen sein muss.
Wie kannst du den Umgang mit Spielzeugwaffen regeln?
Kinder schauen sich viel von ihren Vätern ab. Bist du ein Waffennarr, wird dein Sohn sich vermutlich ebenfalls für Waffen interessieren. In diesem Fall musst du jedoch ganz klare Grenzen ziehen zwischen Spielzeugwaffe und echter Waffe. Letztere ist grundsätzlich für dein Kind tabu.
Erst im Jugendlichen-Alter dürfen Kinder überhaupt Umgang zu echten Waffen haben, wenn dies einem sportlichen Hobby wie z. B. Teilnahme im Schützenverein geschuldet ist. Bist du gegen jede Art von Waffen, liegt es an dir, ob du ein striktes Waffenverbot durchziehen willst oder deinem Kind zumindest kontrollierten Umgang mit Spielzeugwaffen erlauben wirst.
Eine Möglichkeit für deine Familie kann es sein, wenn du deinem Sohn bzw. deiner Tochter lediglich an Fastnacht das Spielen mit einer Spielzeugpistole erlaubst und sich dein Kind als Cowboy, Indianer oder Verbrecher verkleiden darf, Spielzeugwaffen im Kinderzimmer aber ansonsten tabu sind.
Umgang mit Spielzeugwaffe braucht klare Regeln
Möchtest du deinem Kind Spielzeugwaffen nicht grundsätzlich verbieten oder gehst den Kompromiss deshalb ein, weil du der Ansicht bist, dass Verbote oftmals das Gegenteil bewirken, solltest du klare Regeln aufstellen, wann und in welcher Form der Umgang mit Spielzeugwaffen erlaubt ist. Dies sollte damit einhergehen, dass dein Kind die Unterschiede echter Hieb- und Schusswaffen sowie Spielzeugwaffen kennt.
Hier einige Punkte, an denen du dich orientieren kannst:
- Achte darauf, dass Spielzeugwaffen sich optisch deutlich von echten Waffen unterscheiden.
- Rede mit deinem Kind ganz deutlich über die Gefahren, die von einer echten Waffe ausgehen.
- Mache deinem Kind klar, dass auch Spielzeugwaffen (z. B. Softair) Verletzungen zufügen können.
- Vermittelte deinem Kind, dass mit einer Spielzeugwaffe keine realen Konflikte ausgetragen werden dürfen.
- Erziehe dein Kind zu gesundem Selbstvertrauen, so dass es sich nicht durch den Waffengebrauch stärken muss.
Unbedingt solltest du dein Kind beim Spiel beobachten. So erkennst du, ob der Umgang mit Spielzeugwaffen eventuell schädlich für die Entwicklung deines Kindes sein könnte. Im Normalfall verliert sich das Interesse an Plastikschwertern und Pistolen mit Knallpatronen schnell, wenn dem Thema nicht zu viel Aufmerksamkeit zuteil und das Kind nicht vom Reiz des Verbotenen angezogen wird. Problematisch wird eine Entwicklung meist nur dann, wenn es sich um gesteigertes Interesse oder Fokussierung handelt und weitere Risikofaktoren zu bemerken sind.
Im Rahmen deiner Erziehung solltest du darum immer ein Auge auf den Medienkonsum deines Kindes halten und darauf schauen, dass der Junge bzw. das Mädchen keinen Kontakt zu einem Umfeld mit hoher Gewaltakzeptanz hat. Wächst dein Kind in einem liebevollen und “gesunden” Umfeld auf, sind nicht die Spielzeugwaffen es, die das Wesen deines Kindes prägen, sondern all die positiven Menschen und Dinge um das Kind herum.
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